Frontalakt

Ein Wendepunkt scheint mit dem 16.Jh. erreicht zu sein, als der Papst im Jahr 1564 die Übermalung von "unsittlichen" Stellen in Michelangelos Fresken der Sixtinischen Kappelle anordnete, dies noch zu Lebzeiten des Künstlers! Eine zeitgenössische Kopie des unzensurierten Zustands zeigt die Unterschiede auf.

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Von diesem Zeitpunkt an ist der Frontalakt fast vollständig aus der Kirchenkunst verbannt, und ältere Werke passte man dem neuen Geschmack an. Im profanen Bereich hingegen hat der Akt durch Barock, Klassik, Romantik und Impressionismus hindurch bis zur Moderne seinen zentralen Platz behaupten können, auch wenn dies oft unter dem Vorwand der Allegorik oder mythologischer Szenen geschah.

Und heute? Das 21.Jh. läuft in Gefahr, die Schlusslinie des Frontalakts in der Kunstgeschichte zu werden, da schon jetzt ein nicht kleiner Teil des Publikums die Grenzlinie zwischen Kunst und Pornographie dort zieht, wo Genitalien sichtbar werden. Im Rahmen der "political correctness" ist ja Nacktheit inzwischen sogar als gesellschafts- und jugendschädigend deklariert worden, und Websites, in denen das Wort "nackt" erscheint, werden von den meisten öffentlichen Computern ausgefiltert.